In Bannons Bann

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So sieht er also aus, der Leibhaftige. Wilde Mähne, mildes Lächeln, Knitterhose. Stephen Bannon sei «Trumps Mephisto», weiss der Spiegel. Der Präsident «folgt den Ideen seines Chef strategen», als wäre er ein blindes Trampel schaf. Das ist der - vorläufige - Superlativ in einem fiebrigen Wettstreit der Schwarzmalerei. 
Nichts ist neu im Reich der Finsternis. Regiert ein Republikaner im Weissen Haus, wird ihm rasch eine dunkle Macht angedichtet, die ihn perfid und zielsicher in den Abgrund lenkt. Karl Rove war «Bushs Gehirn». Richard Perle Reagans «Prinz der Finsternis». Hatte Obama eigentlich auch so einen Finsterling? Nun also Bannon, Trumps Beelzebub. 
Der Fokus auf Bannon ist richtig. Er ist der Mann der Ideen und Ideologien. Wenn aus Trumps Instinkt ein ideologischer Überbau gezimmert werden soll, ist Bannon der Mann am intellektuellen Reissbrett. 
«Schnell wie der Wind» arbeite sein Hirn. «Ungeduldig und extrem fordernd» sei er, sagen Kollegen und langjährige Weggefähr ten. Die Weltwoche hat ein halbes Dutzend von ihnen interviewt. Sie erzählen alle von einem «brillanten Strategen», der nie ruhe. «Ich weiss nicht, ob er überhaupt schläft», sagt ein Kollege, der während des Wahlkampfs täglich mit Bannon im Kontakt war. 
Stephen Bannon, 63, wuchs als Arbeiterjunge in Norfolk, Virginia, auf, nahe dem grössten Kriegsschiff hafen der Welt. Als Junge sieht er die Flugzeugträger an der Werft, 
Vehikel der Grossmacht, die in die ganze Welt auslaufen. 
Nach der Highschool heuert er an, verbringt an Bord eines Zerstörers sieben Jahre auf hoher See, arbeitet im Pentagon, zieht weiter an die Geor getown-Uni, dann an die Harvard Business School. Immer weiter nach oben führt sein Weg, von der Main Street an die Wall Street. Er wird Investmentbanker bei Goldman Sachs, blickt in den Maschinenraum der Weltwirt schaft und scheffelt Geld wie Heu. 
99 Prozent der Menschheit wären an diesem Punkt stehengeblieben. Bannon nicht. Von einem inneren Motor getrieben, erfindet er sich wieder neu, siedelt an die Westküste, wird Un  
ternehmer in Hollywood, dreht und produziert Filme, unter anderem den für den Oscar nomi nierten Streifen «Titus» (1999) mit Anthony Hopkins. Er stürzt sich in den Journalismus, rollt die Medienwelt von rechts auf und landet schliesslich - als hätte er das Drehbuch seines Lebens selbst geschrieben - im Weissen Haus. 
Bannon ist einer wie im Film. Einer, der Tiefen und Höhen des Lebens kennt. Einer, der Amerika mit dem Bauch fühlt und den Duft der Welt gerochen hat. Er ist einer, dem man zuhört, wenn er spricht. Erst recht, weil seine Botschaft so düster klingt. So erzählen seine Mitstreiter. 
«Die Welt ist in der Krise», lautet Bannons Befund, «die westliche Welt insbesondere.» Drei Gründe nennt er für die Misere. Erstens verliere der Kapitalismus sein jüdisch-christli ches Fundament. Zweitens sei eine «immense Säkularisierung des Westens» im Gang. Jün gere Menschen, besonders Millennials unter dreissig, wendeten sich, getrieben von der Populärkultur, vom Glauben ab. Drittens sehe sich der Westen mit einem «unangenehmen Thema» konfrontiert. «Wir sind in einem Krieg gegen einen dschihadistischen, islami schen Faschismus.» Dieser eröffne stets neue Kriegsschauplätze in einem Tempo, mit dem Regierungen nicht Schritt halten könnten. 
Hört man Bannon in Vorträgen und Interviews auf Youtube sprechen, fühlt man sich ein wenig in Coppolas «Apocalypse Now» versetzt, Napalm zum Frühstück und im Hintergrund der säuselnde Doors-Heuler «The End». Bannon erinnert sich genau an den Mo ment, als sich seine Welt zu verdüs tern begann. Es war 1979 an Bord eines Kriegsschiffes im Persischen Golf. Eine Flugstunde entfernt wurde damals die US-Botschaft in Teheran be setzt, 52 Amerikaner befanden sich während 444 Tagen in Geiselhaft. 
«Ich stamme aus einer Arbeiterfamilie, irische Katholiken, pro Kennedy, pro Gewerkschaft, wir wählten traditionell demokra tisch», erzählte Bannon in einem Interview mit Bloomberg im Oktober 2015. «Ich war nicht politisch, bis ich in den Militärdienst eintrat und sah, wie Jimmy Carter alles ver- kackte. Ich wurde ein grosser Bewunderer Ronald Reagans. Ich bin es immer noch. Aber was mich gegen das ganze Establishment auf  
gebracht hat, war meine Rückkehr aus Asien 2008, wo ich Firmen geführt hatte, und ent deckte, dass Bush es ebenso verkackt hatte wie Carter. Das ganze Land war ein Desaster.» 
Ron Maxwell, Drehbuchautor und Filmemacher («Gettysburg», «Gods and Generals», «Copperhead»), der mit Bannon seit Jahrzehn ten befreundet ist, erinnert sich: Mit Bitterkeit und Zorn habe Steve beobachtet, wie sein eigener Vater, ein Angestellter einer Telefonfirma, einen Grossteil seiner Ersparnisse verlor, wäh rend seine ehemaligen Kollegen von der Wall Street ohne Kratzer die Krise überlebten. Es war die Initialzündung für den bannonschen Feld zug, den er sowohl gegen links wie rechts führt, gegen Demokraten ebenso wie Republikaner. 
«Es waren Bushs idiotische Kriege und Ret tungsaktionen für die Banken, die der radikalen Linken den Weg an die Macht geebnet haben», sagt Maxwell. «Die Republikanische Partei un ter Bush, McCain und Romney hat Obamas Prä sidentschaft ermöglicht und zementiert.» 
Betrogen von den Eliten in Politik und Wirtschaft, war Bannon auf der Suche nach Neuem. 
«Er spürte die Unruhe im Volk, weil es in ihm selbst rumorte», sagt ein Weggefährte aus 
«Ein guter Mann»: Stephen Bannon. 
In Bannons Bann 
Ist er der Teufel? Oder bloss der gefährlichste Mann der Welt? 
Nach Trump haben sich Medien und Politiker auf Stephen Bannon eingeschossen, den Strategiechef Donald Trumps. Ein prüfender Blick in einen angeblichen Abgrund amerikanischer Politik. Von Urs Gehriger 
«Er spürte die Unruhe im Volk, weil es in ihm selbst rumorte.» 


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