Vespa GTS Super 125


Die klassische Fassade hat sich nicht verändert, doch unterm Blechkleid werkelt neuerdings das modernste 125er-Aggregat des Piaggio-Konzerns, der i-get-Antrieb. Damit einher gehen weitere Modifikationen wie z.B. eine Start-Stopp-Automatik. Vespa wird immer moderner.

Die GTS Super wurde für 2017 überarbeitet. Aha, wird der durchschnittliche Rollerfahrer vermutlich denken, sieht-doch aus wie immer - und hat noch nicht einmal unrecht dabei. Doch woran kann man die Neue denn erkennen? Am ehesten beim Blick auf den Motor, denn neben dem flächigen und weniger zerklüfteten Variodeckel prangt ein bunter „i-get”-Sticker, der vorher nicht da war. Das steht für „Italien Green Experience Technology” und bezeichnet die jüngste Motorengeneration aus der Piaggio-Entwicklungsab-teilung. Diese gibt es in verschiedenen Konfigurationen. Doch im Flaggschiff der Vespa-Familie darf nur das Beste werkeln: Ein flüssig-
keitsgekühlter Vierventiler mit Einspritzung, der bis auf den Hubraum von 125 cm3 so gar nichts mehr gemein hat mit dem Vorgängerantrieb. Sämtliche Innereien sind neu und dienen u.a. der Reibungsminderung und Geräuschreduzierung, vom Zylinderkopf über die Kolben und den Ventiltrieb mit Rollenkipphebeln bis zur Kurbelwelle.
Dazu bekommt der Triebling eine langhubige Auslegung bei 58,7 mm Hub und 52 mm Bohrung - der Vorgänger war mit 48 mm Hub noch recht kurzhubig. Der Kühler wanderte von der Front neben den Motor, um Gewicht zu sparen und die Warmlaufphase zu verkürzen, ein neuer Luftfilter optimiert den Durchsatz. Des Weiteren dämmt ein modifizierter Getriebedeckel die Geräusche ebenso ein wie ein doppelter Zahnriemen, der außerdem die Leistungsverluste minimiert. Tiefgreifendste Neuerung im Inneren ist aber der Wegfall des klassischen Starters: Stattdessen sitzt eine bürstenlose Lichtmaschine direkt auf der Kurbelwelle und übernimmt die Anlassfunktion -das kennen wir so bereits aus verschiedenen Honda-Modellen wie SH, Forza oder PCX sowie dem SYM-Scooter GTSi.

All diese Ideen verschaffen dem Achtelliteraggregat die Euro 4-Zulassung, jedoch nicht ohne Einbußen: Der 125 cm3-Motor schöpft mit 12,3 PS bei 8.250 U/min das Leichtkraftrad- Limit nicht annähernd aus, während es der „alte” Motor noch auf vollwertige 15 PS brachte. Dank der langhubigen Auslegung liegt der i-get beim Drehmoment mit 11,1 Nm fast gleichauf mit den 12 Nm des Vorgängers, zudem liegt es bei 6.750 U/min knapp 1.000 Touren früher an. Das hat natürlich Auswirkungen auf das Spitzentempo, das mit 95 km/h für sich genommen zwar gar nicht so schlecht aussieht, angesichts 103 km/h der Vorgängerin aber durchaus neidisch macht.

Im Fahrbetrieb fallt die Differenz zum Vorgänger nicht so stark ins Gewicht wie gedacht. Beim Ampelstart und bei Stadtgeschwindigkeiten kann die gelungene, sehr auf Sprintqualitäten abgestimmte Variomatik das Leistungsmanko locker kaschieren. Fröhlich, aber nicht allzu spontan reagiert der Einspritzer auf Gasgriffbefehle und zieht flott genug an, um gefahrlos aus der ersten Reihe an der Ampel zu starten. Erst bei zunehmendem Tempo wirkt der Antrieb zäh und braucht Anlauf, um seine Höchstgeschwindigkeit zu erreichen.

Der große Vorzug der neuen Motorenkon-
struktion ist ihre Sparsamkeit. Im laborartigen WMTC-Zyklus erreicht der i-get mit einem Liter Sprit eine Reichweite von bis zu 41,6 Kilometern, das entspricht umgerechnet 2,4 Liter auf hundert Kilometer. Das wäre ein satter Liter weniger als wir in der Realität für die letzte GTS ermittelt haben. Dieser Praxischeck steht für die 2017er-GTS noch aus - aufgrund der eiskalten Witterung ließen sich bis Redaktionsschluss noch keine verwertbaren Verbrauchsangaben einfahren.
Meine Meinung:

„Wer sich eine Vespa kauft hofft, damit auch ein Stück Exklusivität erworben zu haben.

Dem ist aber gerade beim Antrieb schon lange nicht mehr so. Der Antrieb, den die 2017er-GTS implantiert bekam, werkelt identisch im Piaggio Medley 125. Der Hersteller hat sich nicht einmal die Mühe gegeben, den Leistungsverlust von drei PS gegenüber der alten GTS wenigstens teilweise zu kompensieren."
Norbert Meiszies, Chefredakteur
Ein Teil des geringeren Spritkonsums geht insbesondere im Stadtverkehr mit seinen vielen Fahrtunterbrechungen durch Ampeln und Verkehr auf RISS zurück. Das steht für „Regulator Inverter Start & Stop”, ein von Piaggio patentiertes Start & Stop-System, das erst durch den Licht-maschinen-Anlasser möglich wurde - eine ähnliche Technologie findet sich wie erwähnt bei Honda. Sobald der i-get-Motor seine Betriebstemperatur erreicht hat - das geht trotz bärbeißiger Umgebungstemperaturen übrigens sehr schnell - schaltet RISS diesen bei einem Stop innerhalb von drei bis sieben Sekunden automatisch ab. Ein kurzer Dreh am Gasgriff genügt, um das Triebwerk automatisch, angenehm leise und kaum spürbar wieder zu starten. Das RISS lässt sich über eine Taste am rechten Lenkerende auch deaktivieren, was angesichts der guten Funktion jedoch überflüssig erscheint. Weil der Antrieb im Fahrbetrieb nur sehr dezent vor sich hin surrt und fast keinerlei Vibrationen an die Verbrennungsarbeit erinnern, ist die größte Auffälligkeit des neuen i-get-Motors seine Unauffälligkeit - und eben der kleine bunte Aufkleber.

Mit der neuen Antriebsquelle bekommt das

bekannte analog-digitale Cockpit Zuwachs in Form einer grünen RISS-Leuchte, die die Arbeitsbereitschaft beziehungsweise die Deaktivierung signalisiert. Ansonsten bleibt sich das Instrument treu: Der obere Teil des trapezioden Teils informiert gut ablesbar über die Geschwindigkeit, darunter bietet die LCD-Anzeige eine Tankuhr und die Uhrzeit sowie über den Mode-Knopf am rechten Lenkerende umschaltbar Kilometerstand, Tageskilometer, Lufttemperatur und den Batterie-



Super? Nur, wo es auch ausdrücklich draufsteht. Drückt man den Zündschlüssel ins Schloss, öffnet sich das zerklüftete Handschuhfach.
lare Sache: Das LC-Display im Cockpit ist vom Mode-Knopf am Lenker umschaltbar, eine neue grüne Leuchte kündet von der Abschaltautomatik.




Modern im Kleinen: Während die Silhouette direkt von der Jahrtausendwende stammen könnte, sind die LED-Positionsleuchten aktuell und hochmodern.



Zeitlose Erscheinung: Die Largeframe-Vespa zeichnet sich durch drei Lüftungsschlitze im Vorbau und den klassischen Rundscheinwerfer darüber aus.
status. Rechts und links daneben sind die Symbole für Serviceintervalle, Öldruck, ABS, Aktivierung der Wegfahrsperre und die Start & Stop-Funktion platziert. Nach wie vor sitzen im Bug darunter der Tragehaken und die Taste zum elektrischen Öffnen des Sitzbankfachs sowie das Handschuhfach, geöffnet durch Eindrücken des Zündschlüssels. Im zerklüfteten Innenraum findet sich eine USB-Ladebuchse und Platz für Kleinkram, mehr Stauraum bietet das schmale Sitzbankfach: Neben einem großen Jethelm verbleibt noch Raum für Handschuhe, Schal und weitere Utensilien.

Nichts Neues gibt es von der Ergonomie zu berichten - glücklicherweise. Seit Jahren bietet das großzügig bemessene Dreieck aus Sitzbank, Trittbrett und Lenker nahezu jeder Fahrerstatur ein äußerst bequemes Ambiente mit aufrechtem Oberkörper, ohne den Piloten in die Passivität abgleiten zu lassen. Auf der nicht zu weich gepolsterten, wohlkonturierten Sitzbank hält man es notfalls den ganzen Tag lang aus und erfreut sich über den großen Fußraum auf dem weitgehend flachen Trittbrett. Das Aufsteigen gelingt so mühelos, fast wie beim Küchenhocker. Geht es um den Sitzkomfort, kann der Vespa kaum ein anderer Roller das Wasser reichen. Dass es sich auf dem hinteren Plätzchen wegen des knapperen Polsters und der etwas weit vorn angebrachten ausklappbaren Rasten nicht so fürstlich sitzt, ist fast verschmerzbar.

Wie bei allen Modellen der Vespa-Historie stellt eine selbsttragende Konstruktion aus gepressten und verschweißten Stahlblechen das Rückgrat der 125er dar, hier in „Largeframe“-Ausführung rela-
tiv breit ausgeführt. Mit ihrer ZwölfZoll-Berei-fung flitzt die GTS wieselflink um alle Hindernisse und nutzt sämtliche Lücken für ein flottes Vorankommen, ohne die Fahrstabilität der außerordentlichen Wendigkeit zu opfern - ihr guter Geradeauslauf ermöglicht eine sportive Fahrweise - und ohne an der Kippeligkeit früherer Modelle zu leiden.

Hinzu kommt ein toller Fahrkomfort selbst auf unruhigem Kopfsteinpflaster, der aufs Konto der sensibel ansprechenden Federelemente geht. Während am Heck klassische Federbeine die Triebsatzschwinge gegen den Rahmen abstützen, werkelt an der vorderen Kurzschwinge ein Federbein - nun nicht mehr über eine aufwändig als Gelenk ausgeführte untere Aufnahme wie noch im letzten Jahr, sondern direkt mit der Schwinge verbunden. Wie sich diese neue alte Konstruktion auf das Ansprechverhalten auswirkt, war bei den frostigen Bedingungen nicht abschließend einzuschätzen. Wohl aber die Funktion des Antiblockiersystems, das als Zwei-Kanal-System beide Räder unabhängig voneinander absichert: Gut abgestimmt verhindert es Blockaden der Räder, ohne durch zu frühes Eingreifen zu viel Bremsweg zu verschenken. Ein klarerer Druckpunkt, bei dem die Bremse zu greifen beginnt, wäre jedoch wünschenswert. Sehr anständig fällt die Verarbeitungsqualität aus, was man bei einem Preis von 5.190 Euro auch erwarten darf. Darin inkludiert ist der Kultaufschlag, der für eine Vespa zu entrichten ist, sowie der Obolus für den herrlichen Fahrspaß, den die GTS auch in der Euro 4-Version zu bieten hat. Thilo Kozik




Vespa GTS Super 125 i-get ABS
TECHNISCHE DATEN

MOTOR

Bauart: Einzylinder, Viertakt Gassteuerung: vier Ventile, ohc Gemischaufbereitung: Einspritzung, 0 28 mm Hubraum: 125 cm3 Bohrung x Hub: 52,0 x 58,7 mm Kühlung: Flüssigkeit Leistung: 12,2 PS (9 kW) bei 8.250/min Max. Drehmoment: 11,1 Nm bei 6.750/min Abgasreinigung: G-Kat (Euro 4) Kraftübertragung: stufenlos variables CVT-Automatikgetriebe, Fliehkraft-Trockenkupplung, Riemen-Sekundärantrieb

FAHRWERK

Rahmenbauart: Stahl-Pressblech mit verschweißten Rahmenversteifungen Federung vorn: geschobene Einarmschwinge Federung hinten: Triebsatzschwinge mit zwei Federbeinen, Vorspannung vierfach einstellbar Federweg vorn: 78 mm Federweg hinten: 70 mm Bremse vorn: eine Scheibe, 0 220 mm, ABS Bremse hinten: eine Scheibe, 0 220 mm, ABS-ASR Bereifung vorn: 120/70-12 Bereifung hinten: 130/70-12 Räder: Fünfspeichen-Leichtmetallguss

ABMESSUNGEN

Länge/Höhe/Breite: 1.950/1170/755 mm Radstand: 1.380 mm Sitzhöhe: 790 mm Tankinhalt: 7,0 l

Leergewicht/Zuladung: 147 kg / 193 kg Farben: Schwarz, Weiß, Metallic-Grün, Hellblau

MESSWERTE

Höchstgeschwindigkeit: 95 km/h SERVICE

Wartungsintervall: alle 10.000 km Garantie: zwei Jahre

LISTENPREIS

5.190 Euro inkl. nk
E ■

laufruhiger, leiser Antrieb handliches Fahryerhalten perfekte Ergonomie gute Verarbeitung
sehr hoher Preis wenig Bremsgefühl optimierbare Endgeschwindigkeit
Nanu — das Federbein der aktuellen GTS ist wieder direkt, ohne Gelenk mit der Schwinge verbunden.
i-get, nicht i-gitt: Das neue Aggregat zeichnet sich äußerlich durch den flächigen Motordeckel und den kleinen Aufkleber aus, dazu pustet es weniger Schadstoffe in die Atmosphäre und soll sparsamer sein.








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