TÖRERHAFTUNG Ohne selbst Täter zu sein

STÖRERHAFTUNG
Ohne selbst Täter zu sein

Hierzulande kann man für Urheberrechtsverstöße zur Verantwortung gezogen werden, auch wenn man die Tat nicht selbst begangen hat.
Wer selbst zum Beispiel Musik, Filme oder Software ohne die dazu erforderliche Berechtigung aus dem Internet herunterlädt, verstößt als Täter gegen fremdes Urheberrecht. Hierzulande besteht jedoch die Besonderheit, dass man auch dann für Urheberrechtsverstöße zur Verantwortung gezogen werden kann, wenn man die Tat nicht selbst begangen hat - und zwar auch dann, wenn man nachweislich im Urlaub, im Krankenhaus et cetera war. Grund dafür ist das Instrument der sogenannten Störerhaftung. Störer ist, wer mit seinem Handeln dazu beiträgt, dass Rechtsverletzungen geschehen, ohne selbst Täter zu sein. Im Fall einer Abmahnung wegen illegalen Filesharings ist das beispielsweise der Anschlussinhaber.

Grundlagen

Eine weitere und in der Praxis viel diskutierte Voraussetzung für die Haftung als Störer ist die Verletzung von bestehenden, zumutbaren Prüfpflichten. Nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) kann also nicht jeder automatisch als Störer herangezogen werden, sondern nur derjenige, der eine Pflichtverletzung begeht (vergleiche die BGH-Urteile vom 26. November 2015, Aktenzeichen: I ZR 174/14, vom 30. April 2008, Aktenzeichen: I ZR 73/05, und vom 12. Mai 2010, Aktenzeichen: I ZR 121/08).

Wer also etwa ein Internetforum betreibt, in dem ohne Registrierungspflicht Dritte uneingeschränkt Inhalte und/oder Dateien posten können, ist ebenso potenzieller Störer wie derjenige, der andere seinen Internetanschluss mitbenutzen lässt. In diesen Fällen sollte der Betreffende vorab darüber belehren, dass im Forum beziehungsweise über den Internetanschluss keine Rechtsverstöße begangen werden dürfen.

Es ist oftmals sogar sinnvoll, zumindest stichprobenartig zu kontrollieren. Kinder und Jugendliche, die im eigenen Haushalt leben und das Internet nutzen dürfen, sollten besonders eindringlich ermahnt und eventuell sogar unter Aufsicht gestellt werden, wenn sie online gehen. Eine gewisse Kontrolle ist insbesondere dann erforderlich, wenn man in der Vergangenheit bereits eine Abmahnung aufgrund von Urheberrechtsverstößen erhalten hat oder man weiß, dass einschlägige Peer-to-Peer-Software auf dem Computer vorhanden ist. In solchen Fällen kann es ratsam sein, die Belehrung des Nachwuchses zu protokollieren oder einen Eltern-Kind-Vertrag abzuschließen. Derartige Schriftstücke können später in einem etwaigen Rechtsstreit als Beweis herangezogen werden.

Die Rechteinhaber benötigen als Grundlage für eine Abmahnung Name und Anschrift des Anschlussinhabers. Hier-
zu werden regelmäßig die IP-Adressen der Nutzer von Tauschbörsen-Software protokolliert. Vor den meisten deutschen Gerichten gelten die Ergebnisse dieser Ermittlungen als gerichtsfester Beweis, auch wenn es nicht wenige IT-Ex-perten gibt, die aus dem Stegreif gleich mehrere Fehlerquellen benennen können.

Ermittlung des Verantwortlichen

Steht fest, von welcher IP-Adresse zu einem bestimmten Zeitpunkt Downloads ausgeführt wurden, so lässt sich in einem zweiten Schritt recht simpel der dazugehörige Inhaber des Internetanschlusses ermitteln - die entsprechenden Informationen erhalten die Rechteinhaber per Auskunftsverfahren von den Telekommunikationsanbietern.

Nach Ermittlung des Anschlussinhabers steht allerdings lediglich fest, um welchen Anschluss es geht. Weder ein konkreter Täter noch ein bestimmtes Tatwerkzeug kann auf diese Weise ermittelt werden. War es der pubertierende Sohn oder doch der Ehegatte? Wurde auf einem PC heruntergeladen oder mittels Periscope beziehungsweise vergleichbarer Software Videos via Peer-to-Peer-Technik auf ein Tablet oder
Der Chaos Computer Club (CCC) hat im letzten Jahr als Reaktion auf die nach wie vor sehr aktive Abmahn-Szene den sogenannten Abmahnbeantworter ins Netz gestellt (https://ab mahnbeantworter.ccc.de).

Dieses Tool soll allen wegen Filesharings Abgemahnten helfen, ein gepfeffertes Antwortschreiben zu formulieren - einfach in der Handhabung, unentgeltlich und ohne Speicherung von personenbezogenen Daten. Inhaltlich ist dieses Werkzeug

jedoch unter Juristen nicht unumstritten, eine individuelle Rechtsberatung scheint noch immer der bessere Weg zu sein.
J Wer mahnt ab?
Wie lautet das Aktenzeichen?
Der Abmahner hat Ihnen ei n Aktenzeichen zugeordnet. Dies muss im Schreiben auftauchen, damit die Kanzlei Ihre Antwort der Abmahnung zuordnen zu kann.
Datum und U hrzeit des angeblichen Verstoßes anzugeben zeigt dem Abmahner, dass Sie sich Gedanken gemacht haben, warum Sie ausschließen können, der Täter zu sein. Bitte entnehmen Sie Datum und Uhrzeit dem Abmahnschreiben.
Der Abmahnbeantworter des

Chaos Computer Clubs (CCC)

martphone gestreamt? Genau hier setzt die Störerhaftung an. Denn selbst dann, wenn der Anschlussinhaber den behaupteten Verstoß selbst nicht begangen hat, kann ihm vorgeworfen werden, keine ausreichenden Sicherungsmaßnahmen getroffen zu haben.

So sieht es Europa

Infolge der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 15. September 2016 (Aktenzeichen: C-484/14, McFadden gegen Sony) blieb die Störerhaftung insbesondere für die Betreiber von WLAN-Netzwerken weiterhin faktisch bestehen. Die EuGH-Richter setzen vergleichsweise hohe Anforderungen an die Entlastung von potenziellen Störern.

So ist beispielsweise dafür zu sorgen, dass Dritte nur mit individueller Zugangskennung, also Benutzername und Passwort, Zugang erhalten. Damit aber nicht genug: Nutzer eines öffentlichen Netzwerkzugangs, zum Beispiel in Gaststätten, Hotels oder Kaufhäusern, sollen zum Erhalt einer Zugangsberechtigung ihre Identität offenlegen müssen. Zwar folgt der EuGH in seinem Urteil der Auffassung des BGH, dass zumindest keine Schadensersatzansprüche auf den Anschlussinhaber zukommen können. Allerdings besteht nach wie vor das Risiko, jedenfalls die Abmahnkosten tragen zu müssen.

... und so Deutschland

Wer auch nur ab und zu aus beruflichen Gründen mit File-sharing-Abmahnungen zu tun hat, weiß, dass es bisweilen so wirkt, als sei Deutschland aufgeteilt. Es gibt im Norden, Süden, Westen und Osten jeweils zwei bis drei sehr aktive Anwaltskanzleien, die regelmäßig verschiedene Inhaber von Urheber- beziehungsweise Lizenzrechten vertreten und deren Forderungen geltend machen. Bisweilen kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es in erster Linie nicht mehr um die (durchaus legitime) Verfolgung von Urheberrechtsverstößen geht, sondern schlicht um Geld.

Die deutsche Bundesregierung hat in den letzten Jahren mehrere Versuche unternommen, durch Gesetzesänderungen dem Rechtsmissbrauch in diesem Bereich einen Riegel vorzuschieben. Zunächst kam 2008 die sogenannte 100-Eu-ro-Abmahnung, dann - wegen des großen Erfolgs - 2013 eine weitere Änderung des einschlägigen Paragrafen. § 97 a Abs. 3 des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) lautet inzwischen:

»Soweit die Abmahnung berechtigt ist [...], kann der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangt werden. Für die Inanspruchnahme anwaltlicher Dienstleistungen beschränkt sich der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen hinsichtlich der gesetzlichen Gebühren auf Gebühren nach einem Gegenstandswert für den Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch von 1.000 Euro, wenn der Abgemahnte

1. eine natürliche Person ist, die nach diesem Gesetz geschützte Werke oder andere nach diesem Gesetz geschützte Schutzgegenstände nicht für ihre gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit verwendet, und

2. nicht bereits wegen eines Anspruchs des Abmahnenden durch Vertrag, auf Grund einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung oder einer einstweiligen Verfügung zur Unterlassung verpflichtet ist. [...]«
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Beabsichtigt war also, Privatpersonen bei einmaligen Verstößen insoweit zu schützen, als die Kosten der anwaltlichen Tätigkeit nur ungefähr 150 Euro betragen dürfen. Faktisch finden die Abmahner aber auch hierbei regelmäßig Ausnahmetatbestände, um dennoch höhere Kosten geltend zu machen.

Im Jahr 2016 kam es wiederum zu einer Gesetzesänderung, nämlich zu einer Anpassung des Telemediengesetzes (TMG) durch die Änderung von § 8. Leider wird nur in der Gesetzesbegründung und nicht im Gesetzestext selbst erwähnt, dass Betreiber von offenen WLAN-Netzwerken nicht als Störer haften sollen.

Im BGH-Urteil vom 12. Mai 2010 (Aktenzeichen: I ZR 121/ 08) haben die Karlsruher Richter festgelegt, dass eine tatsächliche Vermutung dafür spricht, dass der Anschlussinhaber auch für die Rechtsverletzung verantwortlich ist. Diesen treffe daher eine sekundäre Darlegungslast, wenn er geltend macht, dass nicht er, sondern ein Dritter die Rechtsverletzung begangen hat. Außerdem soll der Betreiber eines WLAN-An-schlusses als Störer haften, wenn er es unterlässt, die zum Kaufzeitpunkt des Routers marktüblichen Sicherungen anzuwenden, sofern Dritte seinen Anschluss für Urheberrechtsverstöße nutzen. Generell sind also folgende Sicherungsmaßnahmen zu empfehlen:

Aktivierung der WPA2-Verschlüsselung,

Vergabe eines individuellen Passworts,

sichere Gestaltung des Passworts,

Freigabe nur für bestimmte Endgeräte (MAC-Filter),

Aktivieren der Firewall im Router,

Deaktivierung der WLAN-Funktion bei längerer Abwesenheit im Urlaub et cetera.

Ob und wie sich diese Maßnahmen zur Absicherung des eigenen Netzwerks später dann auch nachweisen lassen, das steht auf einem anderen Blatt.  
Michael Rohrlich


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