Bilder, die Geschichten erzählen

Weihnachten 2016 bei Coca-Cola: Zu sehen ist der Weihnachtsmann mit weißem Rauschebart und seiner Colaroten Kutte. Im nächtlichen Schneegestöber trinkt er in genießerischen Zügen seine nach der anstrengenden Vorweihnachtszeit wohlverdiente Coke. Außer dem Coca-Cola-Schriftzug ist auf der Titelseite ein Weihnachtsgruß zu lesen,
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-WEIHNACHTSFEST!
Doch wie funktioniert Werbung? Zunächst sind die reinen Informationen zum Produkt nebensächlich. Gut gemachte Werbung soll Neugierde wecken und somit den potenziellen Käufer beeinflussen. Neugierig geworden möchte der Betrachter erfahren, was das Produkt „mit ihm macht", was es bewirkt. Die eigentlichen Fakten zum Produkt sind zunächst unwichtig. Werbung funktioniert bei nahezu allen Produkten deutlich besser, wenn sie mit Bildern arbeitet, die eine Geschichte erzählen. Selbst wenn bestimmte Eckdaten für das Produkt wichtig sind.

Beispiel Auto: Natürlich möchte jeder Käufer exakte Informationen zur Leistung des gewählten Fahrzeugs, dem Benzinverbrauch oder dem Preis haben. Zunächst bestimmt jedoch das Lebensgefühl oder das Image, das durch das neue Auto vermittelt wird, welche Modelle in die nähere Auswahl gelangen. Gerade für alle potenziellen Käufer, die noch keiner bestimmten Marke treu sind, tragen dann die passenden Bilder auf der Herstellerseite mit dazu bei, dass der gezeigte
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Bilder, die Geschichten erzählen

Ob nonverbale Kommunikation oder Schlüsselreiz: Bilder, die Geschichten erzählen, sind nicht nur in der Werbung wichtig.
DER NEUE COCA-CO^\ WEIHNACHTSFILM
Weihnachten bei Coca-Cola: Ein einziges Bild erzählt eine ganze Geschichte (Bild 1)
weiter unten wird auf den Weihnachtsfilm verwiesen. Doch bereits das Bild erzählt eine Geschichte, die den Betrachter sofort anspricht - und damit das Produkt nahebringt (Bild 1).

Anders bei Wikipedia: »Coca-Cola, kurz Coke, ist ein geschütztes Warenzeichen für ein kohlensäurehaltiges Erfrischungsgetränk der Coca-Cola Company«. Daneben das Co-ca-Cola-Emblem.

Unterhaltsamer und deutlich werbewirksamer ist jedoch die Site des Herstellers. Mit dem Konsumieren des koffeinhaltigen Getränks möchte der Verbraucher nicht nur genießen, er hofft auch dadurch neue Energie zu gewinnen - was der Coke-trinkende Weihnachtsmann besser vermittelt als die nüchterne Aufzählung der Inhaltsstoffe in dem Online-Lexikon. Um den Betrachter zu erreichen, ist es also hilfreich, eine Geschichte zu erzählen. Ob Erfrischungsgetränk, Auto oder Versicherung - alle Produkte oder Dienstleistungen müssen sich auf dem Markt positionieren und gegen die Konkurrenz abheben, um so potenzielle Kunden zu gewinnen.
Der Mini Countryman und der Porsche Cayman sprechen völlig unterschiedliche Zielgruppen an (Bild 2)
Wagen in die engere Auswahl gelangt. Bild 2 zeigt oben die Seite zu dem Mini Countryman, unten ist der Porsche Cayman zu sehen.

Beide Fahrzeuge sind sozusagen in Action vor der passenden Kulisse abgebildet -und visualisieren sehr gekonnt zwei ganz verschiedene Träume: Der Mini schafft auch die engste Bergstraße im staubigen Gelände. Ein Fahrzeug, das »Mehr Abenteuer« verspricht. Der Porsche hingegen suggeriert seinem zukünftigen Fahrer,

»Mitten im Sport« zu sein. Schnell und dabei sicher flitzt er auf der Schnellstraße um die Kurve, so schnell, dass er nur noch von hinten zu sehen ist.

Ein weiteres Beispiel: Bausparen bei Schwäbisch Hall. Hier reicht der junge Vater - nicht die Mutter! - seinem Baby die Flasche. Unterstützt wird dieses Bild durch den Schriftzug »Bausparen macht glücklich: Top-Darlehenszinsen sichern.« Der günstige Bausparvertrag rückt das ersehnte Eigenheim um gefühlte Jahrzehnte näher - und verspricht damit Platz und Zeit für die eigene Familie (Bild 3).

Nonverbale Kommunikation

Zunächst verspricht Werbung also die Erfüllung unserer Träume und Wünsche. Um das zu erreichen, muss eine gut gestaltete Werbebotschaft gezielt die unterschiedlichen Sinne ansprechen. Wird das Produkt rein digital dargestellt, fallen Fühlen und Riechen weg; umso mehr müssen die Bilder stimmen. Und diese stimmen dann, wenn sie eine Geschichte erzählen.

Bilder, die Geschichten erzählen, sind nicht nur auf einschlägigen Verkaufsseiten zu finden. Wie bei der Werbung sorgen beispielsweise auch in einem Online-Magazin gerade die Bilder dafür, die Aufmerksamkeit des Lesers zu erreichen.

Gleiches gilt für jede digitale Anwendung, ob es sich nun um die neueste Wetter-App handelt oder um das hippe Online-Spiel.

Die Geschichte, die in einem Bild steckt, muss von dem angesprochenen Zielpublikum in kürzester Zeit entschlüsselt werden können. Sind Menschen auf dem
Bild zu sehen, hilft es, die entsprechende Mimik, Gestik oder eine zum Anliegen passende Körperhaltung abzubilden.

Zum Beispiel die frühere Werbung der Zigarettenmarke Marlboro: Hier gab es den einsamen Cowboy, der sich nach getaner Arbeit eine Zigarette ansteckt. Lässig saß er vor dem Lagerfeuer, ein freier Mann, der mit allen Widrigkeiten gut zurechtkommt, der handelt: »Don't be a maybe«. Eine solche Idealisierung von Zigaretten ist heute nicht mehr erlaubt, seit Januar 2017 flimmern ähnliche Werbefilme auch nicht mehr über deutsche Kinoleinwände. In dieser Art gestaltete nonverbale Kommunikation funktioniert hervorragend; bestimmt auch mit ein Grund dafür, dass immer mehr Menschen auf Werbebildern zu sehen sind - gerade bei der Werbung von Genussmitteln oder Luxusgütern.

Nonverbale Kommunikation muss jedoch nicht zwangsläufig ein bestimmtes Produkt verherrlichen. Ein passendes Bild kann auch kritische Aspekte an den Mann bringen. Als Beispiel ein Artikel aus dem Magazin Brigitte: »6 Lebensmittel, die tabu sein sollten, wenn du jenseits der 25 bist!« Ein Bild der sechs verbotenen Lebensmittel würde keine Geschichte erzählen. Diese kommt erst durch den Gesichtsausdruck zustande, der beim Verzehr des bunten Sahnetörtchens zu sehen ist. Zwar verspricht die Süßigkeit einen nahezu himmlischen Genuss, dem die Dame kaum widerstehen kann; herzhaft beißt sie ab. Ihre ganze Mimik verrät jedoch, dass sie durchaus weiß, wie ungesund das Törtchen ist. Vermutlich wird sie der Versuchung trotzen und das Objekt ihrer Begierde vernünftig beiseitelegen (Bild 4).

Schlüsselreize

Neben Mimik, Gestik und Körperhaltung bestimmen verschiedene Schlüsselreize wie wir auf bestimmte Darstellungen mehr oder weniger automatisch reagieren.

Ein Schlüsselreiz ist ein, in der Regel angeborener Reiz, der ein bestimmtes Verhalten auslöst. Sexuelle Schlüsselreize beispielsweise wecken Begehrlichkeiten verschiedener Art. Auf der Online- ►
Schwäbisch Hall -ss.
Bausparen macht glücklich: Top-Darlehenszinsen sichern.
Schwäbisch Hall greift mit dem Titelbild den Wunsch nach einer glücklichen Familie im Eigenheim auf (Bild 3)
Nonverbale Kommunikation: Auch wenn es noch so lecker ist, sie wird das Törtchen nicht essen (Bild 4)
Präsenz des Magazins Mens's Health, das sich offensichtlich eher an Männer richtet, ist meistens ein männlicher muskulöser Körper mit breiten Schultern und flachem Bauch zu sehen - männliche sexuelle Schlüsselreize. Hier soll der eigene Körper mit den entsprechenden Mitteln in dieser Art geformt werden (Bild 5).

Andere Wünsche und Träume wecken die Schlüsselreize bei der Spiele-App Lara Croft Relic Run: Hier turnt eine digitale Schönheit halsbrecherisch in schwindelnden Höhen, um auch dem gruseligsten Feind zu entkommen und letztendlich »die Wahrheit ans Licht zu bringen«.

Auch hier der sexuelle Schlüsselreiz: ein schlanker Körper mit wohlproportionierten Rundungen - in eher wenig sittsame, eng anliegende Hüllen gepackt. So verfehlt hier auch die digitale Darstellung einer attraktiven Frau nicht ihre Wirkung: Dank ihrer Schlüsselreiz-besetzten Figur mit Körbchengröße D erfüllt Lara das Rollenklischee perfekt. Schließ-
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Versteckter sexueller Schlüsselreiz: Digitalmädchen Lara Croft mit wohlgeformten Kurven (Bild 6)
lich richtet sich das Spiel wohl eher an (große) Jungs und Männer, die dann ihre Geschichte leben, zusammen mit der attraktiven Lara (Bild 6).

Ein weiterer Schlüsselreiz, der nicht nur in der Werbung sehr häufig bemüht wird, ist das Kindchenschema: Zeigt ein Körper einen zum Körper verhältnismäßig großen Kopf, große Augen und dabei eine kleine Nase, löst dieses Bild unseren Beschützerinstinkt aus. Diese instinktive Reaktion erfolgt nicht nur beim Anblick eines Babys, sondern auch bei jungen Tieren oder bei Säugetieren, die entsprechende Körpermerkmale aufweisen. So zeigt beispielsweise auch ein ausgewachsener Pandabär Körperproportionen, die dem Kindchenschema entsprechen (Bild 7).

Wie die sexuellen Schlüsselreize bei Lara Croft funktioniert auch das Kindchenschema besonders gut bei entsprechend gezeichneten oder dreidimensional gestalteten Comic-Charakteren. Bekannt dafür sind etwa die Figuren von Walt Disney, der ihnen die reizgebenden Körpermerkmale in übersteigerter Form verliehen hat: Ob es nun Micky Maus, Donald
Tui fiy Günstige Flüge in die Sonne
Men's Health liefert Muskeln und Sixpack als Ziel aller Begehrlichkeit (Bild 5)
Die Wirkung eines Bildes beruht auch auf der entsprechenden Formgebung. So kann bereits ein einzelner Punkt durch seine Anordnung auf einer definierten Fläche unterschiedliche Eindrücke hinterlassen, etwa beweglich oder fixiert, leicht oder schwer. Dabei ist die Größe des Punktes unwesentlich, alleine die Position schafft diesen Eindruck.

Kommen weitere Formen hinzu, wird die Bildaussage deutlicher. So kann beispielsweise eine Linie neben ihrer Position noch eine Drehung zeigen. Sie gibt - anders als der Punkt - eine bestimmte Richtung an. Diese Richtung kann durch die Kombination mit weiteren Formen bestimmt werden, etwa durch einen Punkt, der quasi als Verlängerung der Linie dient: So wird der Punkt zum Ziel.
Liegt der Punkt jedoch nicht auf der Verlängerung der Linie, wird die Linie zur Grenze; sie teilt die Fläche in zwei Bereiche, von denen einer durch den Punkt besetzt ist - ein erster Eindruck von Raum entsteht. Kommen weitere Linien hinzu, entstehen Muster, sofern die Linien in einem bestimmten System angeordnet werden. Zudem können mehrere Linien eine räumliche Wirkung erzeugen. Ein solches System kann auch Perspektive beinhalten.

Viele einzelne Formen können dann konkrete Bilder erzeugen. So ist letztendlich jedes Bild nichts anderes als ein Zusammenspiel vieler Punkte. Funktioniert in einem Bild auch die abstrakte Zusammenstellung wichtiger Kernpunkte, wird die Aussage deutlicher. Das Bild erzählt eine Geschichte.
Die Platzierung von Punkten und Linien können die Geschichte im Bild unterstützen
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Schlüsselreiz Kindchenschema: Baby, Katzenjunges und ausgewachsener Panda zeigen die gleichen Merkmale (Bild 7)
Duck (Bild 8) oder auch die aktuell bei allen Kindern beliebte Prinzessin Elsa aus dem Computeranimationsfilm von Walt Disney Pictures ist. Alle Figuren zeigen in ihren im Verhältnis zum Körper riesigen Köpfen große Augen, eine hohe Stirn, kleine Nasen sowie die Frauen einen zierlichen Unterkiefer.

Die aus Japan kommenden Manga-Figuren funktionieren ebenfalls nach dem Kindchenschema. Die Merkmale dieser Comic-Gestalten sind überzogen kindliche Gesichter mit großen Augen und kleine schmächtige Körper (Bild 9).
Japanische Mangas haben neben Walt Disneys Figuren das Kindchenschema in der Comicwelt etabliert (Bild 9)
Dabei verfehlen solche Figuren ihre Wirkung nicht. Der durch das Kindchenschema geweckte Beschützerinstinkt erzeugt positive Gefühle, die wiederum die Bereitschaft zum Kauf verschiedener Produkte steigert, die sich Bilder dieser Figuren zu eigen machen. Als Beispiel sei die Spiele-App »Die Eiskönigin - Free Fall« genannt: Hier zeigt der Start-screen verschiedene Figuren aus dem Disney-Film »Die Eiskönigin - Völlig unverfroren« (Bild 10).

Bild-Betrachter-Beziehung

Bleiben wir beim zuvor genannten Beispiel »Die Eiskönigin Free Fall«. Zwar läuft der Film dazu bereits seit 2013 in den deutschen Kinos, Figuren daraus, wie etwa Prinzessin Elsa, Anna oder der Schneemann Olaf, sind in deutschen Kinder-
Disneys Figuren, hier etwa in einer Spiele-App zur Schneekönigin, orientieren sich am Kindchenschema (Bild 10)
gärten und Grundschulen aber immer noch allgegenwärtig und bestimmen dort maßgeblich das gemeinsame Spiel. Das Kindchenschema spricht also nicht nur Erwachsene an, Bilder dieser Art versetzen vielmehr auch Kinder in eine emotional positive Grundstimmung.

Doch spielt hier ein weiterer Faktor eine entscheidende Rolle: die Erfahrung des Betrachters. Wohl jedes Kind ab einem bestimmten Alter wird Prinzessin Elsa kennen. Hat es den Film nicht gesehen, so kennt es zumindest die Handlung aus Erzählungen und Spielen der anderen Kinder.

Das Startbild der besagten Spiele-App der Eiskönigin ruft also voraussichtlich bei Kindern die komplette Geschichte ins Gedächtnis. Sicher werden sich darauf die meisten von ihnen sehnlichst das digitale Spiel wünschen - ohne etwas vom Spieleablauf zu wissen. Das Bild funktioniert also nicht nur aufgrund seines Kindchenschemas: Es lässt eine bekannte Geschichte neu aufleben und weckt somit Wunschträume bei den kleinsten Anwendern digitaler Geräte.

Fazit

Erst durch einen gezielten Einsatz von passenden Bildern wird die Aufmerksamkeit des Betrachters erreicht. Dabei sollten verschiedene Aspekte berücksichtigt werden. So sollte die Bildfläche so aufgeteilt sein, dass die Linien-und Flächenführung die Bildaussage unterstützt. Hinzu kommen Überlegungen zur Zielgruppe und dazu, welche Grundvoraussetzungen diese zum Thema mitbringt. Davon abhängig ist dann auch der Einsatz von visuellen Schlüsselreizen.
Katharina Sckommodau

arbeitet als freiberufliche Autorin, Grafikerin und Dozentin, unter anderem für die Akademie der Bayerischen Presse und für Macromedia. redaktion@webundmobile.de
Nach Micky Maus schuf Walt Disney Donald Duck, die liebenswerte Chaosente, nach dem Kindchenschema  




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