Altes Hongkong, neu entdeckt

sonders gut sieht, nein spürt man das in Old Town Central. Dahinter verbirgt sich der historische Teil von Central und Sheung Wan auf Hong Kong Island, der zuletzt einen regelrechten Boom erfahren hat. Der Name des Stadtviertels ist übrigens neu, von offizieller Stelle festgeschrieben erst Ende 2016. Ob man mit der Namensgebung ausländische Besu-
cher wohl darauf stoßen wollte, dass Hongkong längst auch Geschichtsträchtiges zu bieten hat?



Tai Chi & Cappuccino

Der passende Startpunkt für einen Spaziergang durch Old Town Central ist der Possession Point. Wo die Briten 1841 die Flagge hissten und das nahezu unbe-wohnte Eiland in Besitz nahmen, liegt heute der Hollywood Road Park: ein kleiner, grüner Fleck mitten im Großstadttrubel, mit meterhohen Bäumen, Palmen und den obligatorischen Schachspielern im Seniorenalter. Mit ein bisschen Glück trifft man eine Gruppe Hongkonger morgens beim Tai Chi, wenn sie nicht schon beim Milchtee in einem der umliegenden Cafés sitzen. Traditionelle Leckereien wie Zuckerrohrsaft oder die berühmten Egg Tarts gibt es rund um den Park, schließlich wohnen hier, trotz gestiegener Grundstückspreise, immer noch ein paar Alteingesessene. Was den Charme der Ge® gend ausmacht, erschließt sich auf den £ ersten Blick: Gegenüber dem Eingang g findet man nicht nur ein Café, sondern £ auch einen chinesischen Sargmacher,
der mit seinen Exponaten auf dem Gehsteig die Gäste zwischen Cappuccino und Eiertörtchen an die Endlichkeit ihrer Existenz erinnert. Im chinesischen Kulturraum sieht man solche Gegensätze gelassen. Die letzten Tante-Emma-Läden wechseln sich hier mit hippen Neuzugängen wie dem Fleur et Café (www.facebook.com/fleuretcafehk/) ab, das sich nicht ganz entscheiden mag, ob es Blumenladen oder Café ist.

Orientierungslose Seelen

Nur wenige Schritte weiter, in der Tai Ping Shan Street 40, steht der kleine Tempel Kwong Fook I Tsz, auch als Pak Sing bekannt, der Tempel der hundert Namen. Von außen erinnert er an einen besseren Gartenschuppen - vielleicht taucht er deshalb nur selten in Reisefüh-
rern auf. Über eine Treppe geht es in einen kleinen Raum, an dessen Wänden unzählige Fotos und Ahnentafeln hängen. Der Tempel ist dem Bodhisattwa Dizang gewidmet, der verlorenen Seelen ins buddhistische Paradies hilft. Und das nicht ohne Grund: Gerade in den ersten Jahrzehnten Hongkongs, als Tausende Arbeitskräfte aus ganz China in die Stadt strömten, starben viele, ohne dass man ihnen in der Heimat ein anständiges Begräbnis hätte bieten können. Oft war ja nicht einmal bekannt, woher die Toten stammten. Also wurde den Verstorbenen ab 1851 in diesem Tempel eine Ahnentafel gewidmet, so dass ihre
Hongkong
unten:

Jede Tafel ein Schicksal: Tempel der hundert Namen ganz unten:

Kontrast der Baustile: das Frauenkloster Chi Lin




forschen, konnten hier dessen Ahnentafel suchen und in die Heimat überführen.

Zurück auf der Straße, geht es Richtung Westen über die Hollywood Road vorbei am daoistischen Man Mo Tempel
bis zum PMQ. Das Kürzel steht für die Police Married Quarters (www.pmq.org.hk), ein Gebäude, das in den 1950ern als moderne Unterkunft für verheiratete Polizisten diente. Seit etwas mehr als einem Jahr ist der renovierte Bau eine Attraktion für sich, randvoll mit Boutiquen, Cafés und Kunstgalerien. Alle, die in den Abendstunden hierherkommen, sollten
einen Besuch der brandneuen Location The Iron Fairies (www.diningconcepts. com/IronFairies) mit einplanen: Die Bar besteht vorwiegend aus Eisen - derbes Mobiliar und Türen mit martialischen Schlössern schaffen eine finstere und für klaustrophobisch veranlagte Menschen reichlich beklemmende Atmosphäre. Vergleichbares gibt es nirgends . . .

Neue Häuser, alte Elemente

Doch auch jenseits von Old Town Central gibt es Neues in Hongkong. Wie es sich für eine Großstadt gehört, lockt die Metropole immer wieder mit neuen Sternen am Hotelhimmel. Interessanterweise arbeiten auch die zahlreichen neuen Boutique-Hotels oftmals mit historischen Elementen, wie das Olympian (www.theolympianhotel.com) in Mong Kok oder das The Pottinger 
Hongkong
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rechts:

Angesagt: die Partymeile Lan Kwai Fong unten:

Immer busy: Hongkongs Innenstadt
The Social Place

Teigtäschchen ohne Ende, in allen Formen, Farben, Füllungen, mit Trüffeln, Chili-Pork oder extravagantem Seafood, dazu kleine pfannengerührte Gerichte. Die chinesischen Köche hinter der offenen Theke sind wahre Meister ihres Fachs - ebenso wie die Inneneinrichter: Gegessen wird unter anderem an einer Tischtennisplatte, sofern gerade niemand den Schläger schwingt. Die Hongkonger lieben diesen Newcomer, vor allem mittags sollte man daher unbedingt vorreservieren (The L. Place, 139 Queen’s Road Central, Central, Hongkong, www.socialplace.hk).
thepottinger.com) in Central, die beide 2016 eröffnet wurden. Ganz neu dabei ist auch das Attitude on Granville (www.
Food-Tipp
attitudegranville.com), das sich im Design am Hongkong der 1950er-Jahre orientiert. Freunde des puristischen Luxus sind dagegen im Hotel Stage (www. hotelstage.com) in Jordan richtig: Viel Platz, wenig Farbe und klare Linien sind hier Programm.

Seafood und Hühnerkrallen

Neuigkeiten gibt es auch in Sachen Infrastruktur: Seit Ende 2016 führt die neue U-Bahn-Strecke MTR South Island Line Richtung Aberdeen. Der Hafen mit seinem wunderbar chaotischen Mix aus Luxusyachten, Restaurantschiffen und Fischerbooten ist an sich schon sehenswert. Für einen kleinen Obolus gibt es hier auch noch einen Hauch Abenteuer obendrauf. Umgerechnet fünf Euro (also rund 40 HK$, manchmal auch weniger) verlangen die Fischer am Hafen für eine spontane Fahrt nach Lamma Island:

20 Minuten im Fahrtwind, auf einem traditionellen Sampan-Boot mit harter Holzpritsche, allein mit sich und dem Meer. Kommt man in Sok Kwu Wan auf Lamma an, ist es mit der Ruhe vorbei: Hongkongs drittgrößte Insel gilt als Seafood-Paradies, gleich an der Anlegestelle drängen sich die Restaurants auf Holzstelzen. Falls sich der rechte Appetit noch nicht eingestellt hat: Der Wanderweg nach Yung Shue Wan auf der anderen Seite der Insel hat es in sich. Er führt über den 353 Meter hohen Bergkamm
und endet - wo sonst? - im Restaurant.

Wer Hongkongs Küche lieber in der Gruppe entdecken möchte, kann sich den Hong Kong Foodie Tours (www. hongkongfoodietours.com) anschließen, die halbtägige Entdecker-Rundgänge anbieten, zum Beispiel durch Sham Shui Po, ein bodenständiges Viertel in Kowloon. Ganz neu im Programm ist die Tai Po Market Tour in den New Territories: Hier probiert man lokale Spezialitäten - und greift schon mal zur frittierten Hühnerkralle. Näher kann man dem Hongkon-ger Alltag nicht kommen . . .






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