Aus meiner täglichen Haarpraxis - zwei Beispiele

Aus meiner täglichen Haarpraxis - zwei Beispiele

Rund zehn Jahre ist Frau Mendelsohn nun schon Stammkundin. Sie ist eine sehr gepflegte und wunderbar jung gebliebene Frau von 67 Jahren. Ihr erster Besuch damals war von großer Skepsis begleitet. Sie war es nämlich gewöhnt, sich ihre Haare bei teuren Friseuren synthetisch blond färben zu lassen. Bei ihrer Therapeutin für Shiat-su-Massagen hatte sie von mir und meinen ökologischen Leistungen gehört. „Was, Pflanzenfarbe macht der? Da muss ich hin", erzählte sie mir auf dem Behandlungsstuhl sitzend und vor Neugierde brennend, aber auch eine Spur ängstlich. Frau Mendelsohn hatte leichten Haarausfall und dazu Haarbruch, denn ihre zwar vielen, doch wirklich sehr feinen Haare, waren durch die Blondierungen verstärkt abgebrochen. Durch eine unschöne Trennung vor zwei Jahren verlor sie nicht nur ihren Liebhaber, sondern auch leider gleich ein paar Haare mit. Zu stressig war die Zeit der Auseinandersetzung und des Kampfes um den Fortbestand der Liebe zwischen den beiden. Um in der Tiefe den Haarwuchs anzuregen, riet ich ihr zu einer Mesotherapie (s. Kapitel Mesotherapie) bei einem Dermatologen in Köln. Zwei Jahre später sind wir beide sehr zufrieden mit dem Ergebnis, denn alle Haare sind ihr nachgewachsen. Das Haar hat Kraft und sieht voll aus.

natürlich blond

Inzwischen, zehn Jahre später, kommt sie immer noch regelmäßig alle vier bis fünf Wochen, um sich die blonde Pflanzenfarbe auf ihrem ergrauten Haar auffrischen zu lassen. So auch heute. Niemand glaubt ihr, dass sie Pflanzenfarbe im Haar hat, denn es sieht bei ihr einfach natürlich gesträhnt aus. Doch synthetisch blondiertes Haar hätte niemals so einen Glanz wie das von Frau Mendelsohn. Haar-


bruchstellen sind schon lange keine mehr vorhanden. Nach einem kleinen Plausch schaue ich mir ihre Haare genau an. Wir gehen einige Schritte zur Haarwaschliege in der Ruhezone und ihr aufgewecktes Wesen beruhigt sich unter meinen massierenden Händen am Kopf. Danach rühre ich den warmen Pflanzenfarbbrei an, verteile ihn auf die Haaransätze und schon nach wenigen Minuten spüle ich diesen wieder aus, damit es ein sanftes Beige-Blond wird. Mit dem Haareföhnen erwacht auch schon wieder ihre Lebendigkeit. Anschließend verlässt sie beschwingt mein Geschäft.

Die richtigen Pflegeprodukte verwenden

Anschließend kommt Herr Dreher zur einstündigen Haarsprechstunde. Er ist das erste Mal bei mir und sollte sich aus dem Grund die Haare vorher zwei Tage nicht mit Shampoo waschen. Mit Wasser unter der Dusche durfte er sie zwar nass machen, aber eben nicht mit Shampoo durchwaschen, da die Kopfhautsituation sonst nicht diagnostizierbar ist. Er hat auch seine zwei Shampoos und das Haarwachs, das er verwendet, mitgebracht. Vor dem Spiegel und den Monitoren sitzend, klagt er über Kopfhautjucken und starke Schuppenbildung. Ein Blick auf die Produktetiketten macht mir schnell klar, dass hierin wohl die Hauptursache für seine Kopfhautprobleme liegt. Zum einen benutzte er ein silikonhaltiges Kurshampoo seiner Freundin. Zum anderen ein gängiges Schuppenshampoo. Das Haarwachs beinhaltet Paraffine und dazu Silikonöl - Inhaltsstoffe, welche die Kopfhaut regelrecht „zuschmieren". Das Schuppenshampoo löst aber nur die abgelagerten Partikel. Herr Dreher ist ein Kunde, der im Produkte-Kreislauf festsitzt. Ich erkläre ihm, wo ich die Ursachen sehe, dann bürste ich ihm fünf Minuten mit meiner Wildschweinhaarbürste den Kopf und wir sind beide überrascht, was sich an „Flockenmasse löst", es sind synthetische Ablagerungen.

Etwas später dann shampooniere ich ihm auf der Haarwaschliege den Kopf mit einem basischen Seifenshampoo zur tieferen Reinigung von den Ablagerungen. Herr Dreher schläft alsbald ein, beglei-
Die „Haarpraxis" von Michael Rogall befindet sich in der Brüsseler Straße 2 im Belgischen Viertel von Köln.


tet von einem tiefen Schnaufen. Männer scheinen meist mehr „unter Strom zu stehen" als Frauen und schlafen gerne während ihres Termins bei mir auf der Waschliege ein. Ich genieße das mir entgegengebrachte Vertrauen. Nach der circa 20-minütigen Haarwäsche gehen wir zurück zum Behandlungsplatz und ich föhne seine Haare. Die Kopfhaut ist blitzblank, keine Schuppen mehr und die Haare haben deutlich mehr Glanz bekommen. Erleichtert über das Ergebnis atmet Herr Dreher auf und kauft bei mir noch eine Bürste und das Seifenshampoo für die weitere Nachbehandlung, dazu ein Haarwachs auf der Basis von Bienenwachs und Sonnenblumenöl.

Bei den männlichen Kunden habe ich über die Jahre feststellen können, dass sich Männer, wenn sie einmal überzeugt sind, gleich komplett umstellen, so auch Herr Dreher. Er vereinbart noch einen Kontrolltermin mit mir, an dem auch seine Haare geschnitten werden sollen. Sein Vertrauen in meine Arbeit scheint nun groß zu sein und im Hinausgehen lobt er noch einmal die intensive Haarwäsche.

So oder ähnlich verlaufen meine Tage in der Haarpraxis. Die Haarbehandlung läuft sehr ruhig ab, keine Musik dudelt. Verstärkt durch das reduzierte Interieur steht der Kunde mit seinen Wünschen immer im Mittelpunkt meiner Aufmerksamkeit. Die Termine sind so angelegt, dass ich genug zeitlichen Spielraum für jeden Kunden habe. Ein bis zwei Stunden sind die Regel. Ob Neu- oder Stammkunden: Alle werden gleich lange behandelt. Denn auch bei den Stammkunden gibt es immer wieder etwas Neues zu erfahren, etwa eine persönliche Veränderung oder andere Wünsche, im schlimmsten Fall durchlebte Krankheiten und Verluste. Alles, was das Leben mit sich bringt, spiegelt sich auf den Köpfen wider. Es erfordert Zeit, sich einzufühlen. Zeit, die ich mir als Haarpraktiker gerne nehme.
Das Logo vom Haarpraktiker



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